Hermann V. von Wied

Die Reformation - Skandal und Chance

Ein Reformator auf dem Kölner Bischofsstuhl? Kaum vorstellbar. Und doch wäre es nach dem Wunsch des Kölner Erzbischofs Hermann V. von Wied (*1515 – †1547) fast dazu gekommen. Seine „Kölnische Reformation" scheiterte am Widerstand einzelner Kölner Theologen, der Universität, des Domkapitels sowie Kaiser Karls V.

"Wie kriege ich einen gnädigen Gott?"

(Martin Luther)

Hermann von Wied hielt die Reformation wohl für eine bloße Reform – und das sollte sie gemäß Luther zunächst ja auch sein. Der Suche des Reformators nach Gottes Gnade stand die Geisteshaltung seiner Zeit im Wege, die vor allem Gottes Souveränität herausstellte. Weithin pflegte man das übersteigerte Bild eines „Willkürgottes", der mit guten Werken gnädig gestimmt werden muss.

"Das heißt eine neue Kirche bauen"

(Thomas Kardinal Cajetan, Zeitgenosse Luthers)

Luther setzte dagegen die (eigentlich urkatholische) Einsicht, dass der Mensch seine Gerechtigkeit nicht „machen", sondern nur als Geschenk von Gott erhalten kann. Radikal trachtete er danach, dem Menschen alles aus der Hand zu schlagen, was dieser als Faustpfand für sein Heil gegenüber Gott (miss)verstehen konnte: Ablassbriefe, gute Werke, Heiligenverehrung, Heilswirken der Kirche sowie ihres Amtes und vieles andere. Luthers Zuspitzungen trafen auch wegen der Missstände in Kirche und Gesellschaft sowie handfester politischer Interessen auf viel Resonanz. Aus Reform wurde so Reformation: Was die Christenheit erneuern sollte, spaltete sie.

Auf krummen Zeilen gerade schreiben

So tragisch dies erscheint: Die Reformation hat auch einen Reichtum grundgelegt und bewahrt, eine Vielfalt geistlicher und theologischer Traditionen, unterschiedlicher Sichtweisen auf Gott und Mensch, die schon jetzt Frucht trägt – um wie viel mehr, wenn das Trennende einmal beseitigt wird! Bliebe von Luthers Anliegen nur das eine, immer auf den gnädigen Gott zu blicken, dann wäre schon viel gewonnen für alle Christen – und für die Welt.

 

Autor: Dr. habil. Raimund Lülsdorff