Clemens August I. von Bayern

Schuld der Kirche -
Einsicht und Schuldbekenntnis

Die Hexenverfolgung hatte hauptsächlich gesellschaftliche Ursachen. 

Dennoch hat sich die Kirche in dieser Situation schuldig gemacht: Sie widersprach den Folterungen und Tötungen nicht oder nur zögerlich. Ähnliche Schuld luden die katholische Kirche und ihre Christinnen und Christen in anderen historischen Phasen auf sich.

Kritische Sicht auf die Kirche

Wegen dieser Schuld erfährt die Kirche in der öffentlichen Meinung eine sehr unterschiedliche Wertschätzung. Selbst manche Katholiken tun sich schwer mit ihrer Kirche, die sich so fehlerhaft verhalten hat und verhalten kann.

Kirche - das sind Menschen

Die katholische Kirche ist eben kein abstraktes Gebilde, sondern eine weltweite Glaubensgemeinschaft von Menschen. Diese Menschen sind Kinder ihrer Zeit und ihrer Mitwelt; sie können historische Situationen richtig oder falsch einschätzen und gut oder schlecht reagieren.

Eine auch sündige Kirche

Darum stellte das Zweite Vatikanische Konzil (1962-65) fest, dass die Kirche „Sünder in ihrem eigenen Schoße" hat. Die Kirche ist „zugleich heilig und stets der Reinigung bedürftig, sie geht immerfort den Weg der Buße und Erneuerung" (Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche „Lumen Gentium", Nr. 8).

Ein Schuldbekenntnis

Über dieses Eingeständnis des Konzils ging Papst Johannes Paul II. hinaus: Am 12. März 2000 feierte er einen Gottesdienst, in dem er die Schuld und die Sünden der Kirche bekannte und um Vergebung bat. 

Der Papst nannte die Schuld der Kirche beim kirchlichen Dienst an der Wahrheit und im Verhältnis zu Israel; er verwies auf die Verfehlungen der Kirche gegen die Liebe, den Frieden, die Rechte der Völker, gegen die Achtung der Kulturen und der Religionen. Er bekannte die kirchlichen Sünden bei Kirchentrennungen, gegen die Würde der Frau und die Einheit des Menschengeschlechtes und die Sünden mit Blick auf die Grundrechte der Person.

Vielfältige Ursachen

Der Papst beschrieb auch die Ursachen der Sünden und der Schuld der Kirche: Stolz, Hass und der Wille, andere zu beherrschen, hätten die Christen fehlgeleitet. Auf Reichtum und Macht hätten Christen gesetzt und die ‚Kleinen' verachtet und die Juden leiden lassen. 

Johannes Paul II. wies darauf hin, dass die Kirche nur „in der Milde der Liebe" der Wahrheit dienen kann. Aussöhnung unter Christen sei nötig statt Spaltung; Ausgrenzung und Diskriminierung müsse die Kirche vermeiden.

In Verantwortung stehen

Das Schuldbekenntnis von Papst Johannes Paul II. setzt Maßstäbe für das Handeln der Kirche. Aber Rechenschaft muss die Kirche gegenüber Gott ablegen: Ihm ist die Kirche und ihm sind alle Katholiken Antworten schuldig.

 

Autor: Dr. Burkhard R. Knipping

Zitate:

„Herr der Welt, Vater aller Menschen,

durch deinen Sohn hast du uns gebeten, auch den Feind zu lieben,

denen Gutes zu tun, die uns hassen,

und für die zu beten, die uns verfolgen.

Doch oft haben die Christen das Evangelium verleugnet

und der Logik der Gewalt nachgegeben.

Die Rechte von Stämmen und Völkern haben sie verletzt,

deren Kulturen und religiösen Traditionen verachtet:

Erweise uns deine Geduld und dein Erbarmen! Vergib uns!

Darum bitten wir durch Christus unseren Herrn."

 

Die fünfte der sieben Vergebungsbitten von Papst Johannes Paul II. am 12. März 2000

„Die Kirche kann nicht die Schwelle des neuen Jahrtausends überschreiten, ohne ihre Kinder dazu anzuhalten, sich durch Reue von Irrungen, Treulosigkeiten, Inkonsequenzen und Verspätungen zu reinigen. Das Eingestehen des Versagens von gestern ist ein Akt der Aufrichtigkeit und des Mutes, der uns dadurch unseren Glauben zu stärken hilft, daß er uns aufmerksam und bereit macht, uns mit den Versuchungen und Schwierigkeiten von heute auseinanderzusetzen."

 

Papst Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Tertio Millenio Adveniente, 1994, Nr. 33