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Ursula-Legende im 20. Jahrhundert

P. Wilhelm Auer OFMcap veröffentlichte im 20. Jahrhundert die zuvor vielfach veränderte „Legenda aurea”, das zwei weitere Versionen der Ursula-Legende („Die heilige Ursula mit ihren Gefährtinnen, Martyrinnen”) enthält, die inhaltlich deutlich von mittelalterlichen Fassungen abweichen.


Die heilige Ursula und ihre Gefährtinnen, Martyrinnen.

Die heilige Jungfrau Ursula war die Tochter des Dionotus von Cornwallis in England. Ihre Eltern waren besonders wegen ihrer Nächstenliebe geehrt. Diese und alle anderen Tugenden der Eltern gingen mit der innigen Liebe zu Jesus auch auf die heilige Ursula über. (Nach anderem Berichte hieß ihr Vater Nothus, ein sehr vornehmer und reicher Fürst in Britannien.)

Damals war Maximus der erste Feldherr über die römischen Truppen in England. Dieser empörte sich gegen seinen Herrn, den Kaiser Gratian, und ließ sich von seinen Truppen zum Kaiser ausrufen. Hierauf ließ er im Jahre 382 sein Kriegsheer über das Meer nach Frankreich setzen und machte dort große Eroberungen. Dieses Glück hatte er vorzüglich der Treue der Soldaten aus England zu verdanken. Um ihnen seine Dankbarkeit zu bezeigen und sie noch mehr an sich zu ziehen, räumte er ihnen Kleinbritannien (Bretagne) ein, damit sie dort Wohnungen bauen und von den Erträgnissen des Landes sich ernähren könnten. Sie siedelten sich daselbst an; und die Vornehmsten wünschten sich mit Jungfrauen ihrer Heimat zu verehelichen und sandten um solche dahin.

Ihr Befehlshaber Conan, ein Fürst aus England und ein gottesfürchtiger Christ, verlangte die heilige Ursula als Braut. Ihr Vater sandte sie daher mit vielen, angeblich 11000 anderen Jungfrauen, die gleichfalls in den Ehestand treten sollten, zu Conan. Die Jungfrauen wurden auf Schiffe gebracht, die unmittelbar nach Frankreich segeln sollten. Ein Sturm verschlug sie aber an die Küste der Niederlande und sie mussten in einem Hafen unweit des Rheins landen, um auf einer anderen Seite nach Frankreich zu kommen. Am Niederrhein wurden sie aber von den Hunnen, die dort gegen den Maximus zu Felde lagen, überfallen, und ihre Unschuld war bald der größten Gefahr ausgesetzt. Die heilige Ursula widersetzte sich standhaft und brachte es durch ihre Ermahnungen und ihr Beispiel dahin, dass alle Jungfrauen lieber den Martyrertod starben, als sich den wilden Hunnen preiszugeben.

Vorstehende St. Ursula-Legende (sowie eine andere) wird bestritten. Den Heiligen-Legenden liegen wahre historische Tatsachen zugrunde; so auch der St. Ursula-Legende. In den kirchlich approbierten Lektionen der 2. Nokturn für das Fest der heiligen Ursula im Brevier steht in genauer deutscher Übersetzung:

1. Um die Mitte des 5. Jahrhunderts war der Hunnenkönig Attila von seinem ersten Einbruch in Gallien (Frankreich), wo er (451) bei Catalaunum (Chalons sur Marne) besiegt worden war, auf dem Rückmarsche nach Ungarn. Bevor er über den Rhein ging, griff er die berühmte Stadt Cöln an und verwüstete sie aus Haß gegen die katholische, dort herrlich blühende Religion durch Raub und Mord. Am wütendsten aber fielen die von Lüsternheit erfüllten Barbaren über die zarten Jungfrauen her, welche aus Britannien (England) ausgewandert waren und sich dort (in Cöln) aufhielten. Die hervorragendste von ihnen war eine Jungfrau mit Namen Ursula. Sie ermahnte alle ihre Gefährtinnen, lieber alle Peinen und den grausamsten Tod zu erdulden, als an ihrer Jungfräulichkeit Schaden zu erleiden.

2. Diese so vortreffliche Schar von Jungfrauen leistete den Hunnen äußersten Widerstand. Daher wurden von ihnen die einen mit dem Schwerte getötet, andere mit Pfeilen durchbohrt, wieder andere mit Prügeln erschlagen und vollendeten so ihr Martyrium. Ursula aber fiel als glorreiches Opfer auf die Schar ihrer Gefährtinnen, gleichsam himmlischer Perlen, nieder; sie war geschmückt mit dem Purpur ihres für den Glauben und die Reinheit vergossenen Blutes; sie geleitete im Triumph die mit der Doppelkrone der Jungfräulichkeit und des Glaubens gezierte Schar in den Himmel. Nachdem nun dieser wütende Sturm der Barbaren vorübergebraust war, sammelten die noch lebenden Bewohner von Cöln die Leiber der Jungfrauen und der anderen Martyrer aus der Bürgerschaft als kostbare Unterpfänder und bestatteten sie mit der größten Ehrerbietung.

3. Auf dem Feld, das von dem Blute der Jungfrauen gerötet worden, und in welchem den Martyrinnen die heilige Ruhestätte bereitet war, wurde eine Kirche erbaut, die schon im 7. Jahrhundert die Kirche der heiligen Jungfrauen genannt wurde; aus Ehrfurcht vor ihnen wurde daselbst kein Leichnam mehr begraben. Im 9. Jahrhundert entstand dort ein Kloster, welches anfangs des 10. Jahrhunderts Ordensfrauen aufnahm, die sich aus Furcht vor den Hunnen (Ungarn) geflüchtet hatten. Diese Kirche (und Kloster) wurde stets von den Vorständen der berühmten Stadt freigebig ausgestattet und andächtig besucht. Bis zum heutigen Tage sieht man in dieser (St. Ursula-) Kirche, die oft restauriert wurde, die Mauern ringsum mit den Sarkophagen der Martyrinnen geschmückt. Der größere Teil der Reliquien ist in den Mauern innerhalb des Chores und unter dem Fußboden verborgen. Im nächsten Oratorium erblickt man zahlreiche Häupter, an denen stellenweise Spuren des Martyriums sich zeigen, oder welche mit blutigen Haaren bedeckt sind. Diese heiligen Unterpfänder wurden in früheren Zeiten von frommen Wallfahrern besucht und verehrt.
An frommen Verehrern fehlt es wohl in unseren Zeiten auch nicht. Der Verehrungstag der heiligen Ursula und ihrer (11.000) Gefährtinnen ist der 21. Oktober.

 
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